Digitales Schreiben

digital writing

Während das analoge Schreiben aus der Erst-, Zweit- und Fremdsprachendidaktik schon gut untersucht ist (vgl. Hayes & Flower 1980; Grießhaber 2008), stecken wissenschaftliche Untersuchungen und Praxisansätze zum digitalen Schreiben noch in den Kinderschuhen. Dies liegt einerseits an den sich ständig verändernden Rahmenbedingungen als Folge der Kultur der Digitalität.

Analoges und digitales Schreiben haben viele Gemeinsamkeiten, z.B. sind die vorbereitenden Prozesse wie die Planung, die zugrundeliegenden (metasprachlichen) Denkprozesse gleich. Auf folgenden Ebenen unterscheidet sich digitales Schreiben hingegen deutlich vom analogen Schreiben. Digitale Tools erweitern die Spielräume des Schreibprozesses.

Prozessurale Ebene

Die technischen Möglichkeiten des Überarbeitens (Löschen, Verschieben, Kopieren) erleichtern den Schreibprozess. Ein Text entsteht im Prozess, folgt den Gedankengängen und muss dennoch irgendwann zu Ende gebracht werden. Die Phase des Überarbeitens wird ebenfalls erleichtert.

Durch kollaborative Tools (z.B. googledocs, zumpad) können Lernende asynchron gemeinsam an einem Text schreiben, arbeiten und korrigieren. Durch KI-Tools werden Möglichkeiten der sofortigen Übersetzung und Schreibhilfe für jeden verfügbar.

Textstrukturelle Ebene

Analoge Textsorten können auch digital verfasst werden. Allerdings gibt es im digitalen Raum auch Textsorten, die über textsortenspezifische Merkmale verfügen (z.B. Blogbeitrag, Instagrampost). Die technischen Gegebenheiten ermöglichen zudem eine multimediale Gestaltung – etwa das Hinzufügen eines Bildes, die Unterlegung mit Musik, die Verlinkung, die Verwendung von Hashtags usw. Die inhaltliche Bedeutung ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel verschiedener medialer Bestandteile, die sog. Symmedialität (Frederking 2006).

Was bedeutet das für den Russischunterricht?

Während vor ein paar Jahren das digitale Schreiben im Russischunterricht noch sehr mühsam war, weil das Finden der kyrillischen Buchstaben auf einer „deutschen“ Tastatur Lernende überfordert hat, ist das Verfassen russischer Texte auf Tablets über die einfach installierbare, einblendbare Tastatur kein Problem mehr. Auch ist die Umstellung auf die kyrillische Tastatur für die meisten digitalen Tools kein Problem (mehr), so dass dem digitalen Schreiben nichts im Wege steht. Das Verfassen von „fake“ Beiträgen für soziale Netzwerke, die Erstellung von Memes oder das Chatten mit KI-Chatbots sind eine willkommene Abwechslung!

  • Frederking, V. (2006): Synästhetik multimedialer Gesamttexte. In: Heinz-Jürgen Kliewer und Inge Pohl (Hg.): Lexikon Deutschdidaktik. Band 2 M-Z: Schneider-Verl. Hohengehren, S. 751.
  • Grießhaber, Wilhelm (2008): Schreiben in der Zweitsprache. In: Bernt Ahrenholz und Ingelore Oomen-Welke (Hg.): Deutsch als Zweitsprache. Hohengehren: Schneider Verlag (Deutschunterricht in Theorie und Praxis, Band 9), S. 228–238.
  • Hayes, John R.; Flower, Linda (1980): Identifying the Organisation of Writing Processes. In: Lee W. Gregg und Erwin R. Steinberg (Hg.): Cognitive Processes in Writing. Hillsdale: Lawrence Erlbaum Associates, S. 3–30.
  • Dornicheva, Daria; Sulimova, Maria (2025): Chatbots im Schreibunterricht für fortgeschrittene Russischlernende. In: SlavUn, S. 30–56. DOI: 10.20377/slavun-17
  • Sulimova, Maria; Dornicheva, Daria (2024): AI Chatbot as a Companion in Writing Travel Notes. In: Russian Language Journal 74 (1). DOI: 10.70163/0036-0252.1405 .
  • Wampfler, Philippe (2020): Digitales Schreiben. Blogs & Co. im Unterricht: Reclam (Bildung und Unterricht).
  • Das Padlet „Digitale Schreibanlässe“ habe ich für eine Lehrerfortbildung für Fremdsprachenlehrkräfte erstellt. Es enthält zahlreiche Anregungen, wie das Schreiben mit digitalen Tools oder im digitalen Raum gefördert werden kann.
  • FelloFish ist ein KI-basiertes Rückmeldetool für Schülertexte. Es gibt kriteriengeleitet Rückmeldung zu Schülertexten. Erste Versuche für das Fach Russisch waren recht erfolgversprechend.