Der Begriff „Herkunftssprache“ ist eine Lehnübersetzung des englischen Begriffs „Heritage Language“. Während sich ab der 1970er Jahre auch in Deutschland Linguist:innen vereinzelt mit Zweitspracherwerb und Kontaktphänomenen der Sprachen der Gastarbeiter widmeten, fokussierten sich Sprachwissenschaftler:innen in den USA und Kanada in diesen Jahren auf die Bedeutung der Familiensprachen im Bildungsbereich und schufen das interdisziplinäre Forschungsfeld der „Educational Linguistics“ (Benmamoun et al. 2010). Erst mit der Immigration russischsprachiger Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion in den 1990er Jahren gerieten die Herkunftssprachen auch in Deutschland in den größeren wissenschaftlichen Fokus. Seit Ende der 1990er Jahre wird besonders das Russische als Herkunftssprache in Deutschland von Slavist:innen beforscht, so dass es mittlerweile eine gute Beschreibung der Sprachkontaktphänome, des Sprachwandels und auch des Sprachverlusts gibt.
Was bedeutet das für den Russischunterricht?
Für Russischlehrer:innen sind diese wissenschaftlichen Erkenntnisse besonders wertvoll, stellen sie doch die Grundlage der Unterrichtsgestaltung für Herkunftssprecher:innen dar. Jede:r Russischlehrer:in sollte Kenntnis darüber haben, welche Sprachkontaktphänomene auf morphologischer, morpho-syntaktischer, syntaktischer, lexikalischer und pragmatischer Ebene bei deutsch-russisch Bilingualen auftauchen und wie diese sich auf das Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen auswirken. Einen guten Überblick bietet Brüggemann (2021) und Mehlhorn (2022).

- Benmamoun, Elabbas; Montrul, Silvina; Polinsky, Maria (2010): White Paper: Prolegomena to Heritage Linguistics. Online verfügbar unter https://scholar.harvard.edu/files/mpolinsky/files/hl_white_paper_june_12.pdf, zuletzt geprüft am 31.07.2025.
- Brehmer, Bernhard (2007): Sprechen Sie Qwelja? Formen und Folgen russisch-deutscher Zweisprachigkeit in Deutschland. In: Tanja Anstatt (Hg.): Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen. Erwerb, Formen, Förderung. Tübingen: Attempto, S. 163–185.
- Brüggemann, Natalia (2021): Grundlagen und Prinzipien der Entwicklung eines Curriculums für herkunftssprachliche Lerner. In: Anka Bergmann und Natalia Brüggemann (Hg.): Herkunftssprache in Deutschland. Zu linguistischen Grundlagen und didaktischen Prinzipien des Unterrichtens, Bd. 1. Berlin (Slavic Language Education), S. 20–47. Online verfügar unter https://edoc.hu-berlin.de/server/api/core/bitstreams/a2ad1f18-9386-453c-9681-7f7237769736/content, zuletzt geprüft am 03.09.2025
- Mehlhorn, Grit (2022): Schüler/innen mit Russisch als Herkunftssprache – eine Ressource für den schulischen Fremdsprachenunterricht Russisch. In: Anka Bergmann, Christoph Oliver Mayer und Jochen Plikat (Hg.): Perspektiven der Schulfremdsprachen in Zeiten von «Global English» und Digitalisierung. Welche Zielsetzungen sind für Französisch, Spanisch, Russisch & Co. (noch) zeitgemäß? Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Warszawa, Wien: Peter Lang (Kolloquium Fremdsprachenunterricht, Band 68), S. 233–259.
- Mehlhorn, Grit (2020): Herkunftssprachen und ihre Sprecher/innen. In: Ingrid Gogolin, Antje Hansen, Sarah McMonagle, Dominique Rauch und Grit Mehlhorn (Hg.): Handbuch Mehrsprachigkeit und Bildung // Herkunftssprachen und ihre Sprecher/innen: Springer Fachmedien, 23-29. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20285-9_3
- Polinskaya, Maria (2010): Russkiy yazyk pervogo i vtorogo pokoleniya ėmigrantov, zhivushchikh v SSHA. In: Slavica Helsingiensia (40), S. 314–328.
- Polinsky, Maria (2006): Acquisition of Russian: Uninterrupted and Incomplete Scenarios. Duke University. Online verfügbar unter https://slaviccenters.duke.edu/sites/slaviccenters.duke.edu/files/site-images/8polinsky%20x.pdf, zuletzt geprüft am 03.09.2025.